Den Volkstrauertag erlebten die Besucher der evangelischen Kirche in Blumberg mit traditioneller Klezmermusik und israelischen Kompositionen für Klarinette (Julia Guhl) und Orgel (Andreas Rütschlin).
Der Gottesdienst, geleitet von Pfarrerin Gabriele Remane, stand ganz im Zeichen des Jubiläums „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, welches 2021 bundesweit jüdisches Leben in unserem Land durch verschiedenste Veranstaltungen würdigte. Die evangelische Pfarrerin konnte gut 40 Gottesdienstbesucher begrüßen, die unter Einhaltung der Corona-Regeln ihren ausgewählten Texten und der dazu passend ausgesuchten Musik lauschten.
Nach einer traditionellen Klezmer-Overtüre der zwei Musiker von Rudolf Mauz, die im metrisch freien Rezitativo startete und sich bis zu einem tänzerisch-beschwingten Allegro steigerte, begrüßte Gabriele Remane die Gemeinde. Sie erinnerte in ihrer Begrüßung sowohl an jüdische als auch an christliche Menschen, die im 1. Weltkrieg Seite an Seite für Deutschland kämpften. Sie wies darauf hin, dass die christlichen Wurzeln im jüdischen Glauben liegen und beide Kulturen sich seit zwei Jahrtausenden gegenseitig bereicherten. Dies hörte man auch in der Musik.
Es folgte „The Wedding“ von Grzegorz Fitelberg, welches in drei musikalischen Bildern jüdische Hochzeiten beschreibt. Mit samtweichen Tönen, die wie aus dem Nichts im Kirchenraum erblühten und wieder verschwanden, versetzte Julia Guhl die Zuhörer in Stauen. Von Beginn an und auch im später ertönenden „Canzonetta - Grandmother‘s tales“ und „The Maypole“ zeigten die Rottweiler Klarinettistin und Andreas Rütschlin eindrücklich ihr Gespür für homogenes Zusammenspiel.
Wie selbstverständlich gelang das Wechselspiel von Melodie und Begleitung zwischen den zwei Musikern. Besonders in „Grandmother’s tales“ konnte man sinnbildlich die erzählenden Großmütter erahnen. Davor beeindruckte der Donaueschinger Organist mit dem Fest-Präludium zu „Rosch haschana“ von Louis Lewandowski, in dem er alle Register der Orgel zog und die Gemeinde in feierliche Stimmung versetzte.
In „Berceuse Juive“ von Alexandre Tansman zeichnete er in ganz anderem Ton den von Pfarrerin Gabriele Remane vorgelesenen Aufruf eines jüdischen Mannes nach, den Kriegsdienst im 2. Weltkrieg zu verweigern. Sowohl teils scharfe Akkorde als auch kleine, skurrile, motivische Einwürfe ließen Düsteres erahnen. Der Organist wies eindrucksvoll auf, wie Musik verschiedenste Stimmungen einzufangen vermag.
Dass die eigene Tradition im Glauben durch Musik ausgedrückt werden kann, bewiesen auch die drei folgenden traditionellen Klezmer-Stücke. Sowohl in „Kaddish“ von Lev Kogan, das zur Erinnerung an Verstorbene zum Begräbnis gespielt wird, als auch in „Doina“, einem Klagelied, spielte Julia Guhl die klanglichen Möglichkeiten ihres Instruments aus und brachte verschiedenste Trauergefühle musikalisch zum Ausdruck.
In keinem Musikstil liegen Schwermut und Heiterkeit so nahe beieinander wie im Klezmer. Das wusste schon der russische Komponist Dmitri Schostakowitsch: „Die Musik des Klezmer ist Freude und Trauer in einem. Sie berührt mich auf eine Art und Weise, wie es keine andere Musik vermag“. So durfte nach den zwei getragenen Stücken ein „Freilach“ nicht fehlen.
Freilach ist ein Tanz im 2/4-Takt. Auf Jiddish sagt man „a freylekhs shtikele“ – ein fröhliches Stückchen. Im beschwingten „Itamar‘s Freilach“ war Julia Guhl und Andreas Rütschlin die Freude am gemeinsamen Spiel geradezu anzumerken.
Nach dem Segen erklangen zum Abschluss zwei weitere Stücke aus der Klezmertradition: „Ki Mitziyon“ und „Ose Shalom - Friede sei mit euch“.
Die Gottesdienstbesucher dankten dem außergewöhnlichen musikalischen Können der zwei Interpreten mit kräftigem Applaus.